Offener Brief zu den geplanten Sparmaßnahmen der Stadt Duisburg
Geplante Kürzung der städtischen Zuschüsse
Duisburg, 10. Februar 2010 - Die Stadt Duisburg muss sparen, das wird auch von uns nicht bezweifelt. Aus diesem Grund haben wir viele Jahre lang auch niemals um eine Erhöhung der städtischen Zuschüsse gebeten. Mit den von Ihnen vorgesehenen Kürzungen für die sog. „Psychiatrischen Hilfsvereine“ sind wir jedoch nicht einverstanden.
Kürzung um fast 25%
Seit zehn Jahren erhalten wir einen städtischen Zuschuss in Höhe von knapp 132.000 Euro. Diesen Betrag setzen wir in unseren beiden Kontakt- und Beratungsstellen in Rheinhausen, dem Wasserviertel und der Zweigstelle in Wanheimerort ein. Hier wurden im vergangenen Jahr 1787 Personen betreut und beraten.
Eine Kürzung von 64.000 Euro bedeutet womöglich, dass auf Regenbogen Duisburg 32.000 Euro pro Jahr entfallen, damit kürzen Sie uns fast 25% der gesamten kommunalen Zuwendung!
Die Funktion der Kontakt- und Beratungsstellen
Unsere Kontakt- und Beratungsstellen für psychisch kranke Menschen sind an 365 Tagen im Jahr geöffnet, also auch an jedem Wochenende, an Weihnachten, an allen Feiertagen. Sie werden überwiegend von Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen besucht, darunter zunehmend mehr Menschen mit Zuwanderungshintergrund. Die Besucher unserer Kontakt- und Beratungsstellen sind oder waren häufig sozial ausgegrenzt und haben aufgrund ihrer Erkrankung ihren Arbeitsplatz, ihren sozialen Kontext wie Familie und Freunde verloren. Die wirtschaftliche Situation ist dem entsprechend ungünstig. Fast ein Drittel der Besucher weist ein zusätzliches Suchtproblem auf.
Die Kontakt- und Beratungsstellen haben vielfältige Funktionen. Sie sind Familienersatz, weil durch die Krankheit das Familien- und Freundschaftsgefüge meist zerbrochen ist. Sie bieten Tagesstruktur, Freizeitangebote und tägliches Mittagessen, das viele nicht mehr selbst zubereiten können. Sie sind Alternative zum Krankenhaus und zum Heim, sie bieten Hilfe in Krisen etc.
Sehr häufig vermeiden unsere Besucher durch die Unterstützung unserer Kontakt- und Beratungsstellen sonst notwendige, kostenaufwendige Krankenhausaufenthalte und Zwangseinweisungen.
90 % der Besucher werden nicht durch zusätzliche Angebote wie Betreutes Wohnen, Tagesstätte etc. betreut. Sie blieben ohne Kontakt- und Beratungsstellen völlig unversorgt.
Die Konsequenzen
Wenn die vorgeschlagenen Sparmaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden sollten, werden viele der 1787 Menschen, die 2009 die Kontakt- und Beratungsstellen des Regenbogen besucht haben in eine Lebenskrise stürzen, weil wir ihnen nicht mehr die notwendigen Hilfen zukommen lassen können.
Und wir werden uns fragen, welche Hilfen wir kürzen müssen: Beratungen, Begleitungen zum Arzt, zur Behörde, zum Meistern des Alltags, Freizeitangebote, abendliche Gesprächskreise zur Vermeidung von Krankenhauseinweisungen, tröstende Gespräche gegen die Einsamkeit, den täglichen Mittagstisch, Angehörigenarbeit?... Wir wissen es nicht, denn all dies ist wichtig für die Betroffenen.
Bei einem täglichen Besucherandrang von durchschnittlich 40 – 50 Personen und einem sehr knappen Raum- und Personalangebot ist die umfangreiche Betreuung nur zu leisten, wenn sich diese zeitlich, räumlich und personell ganztägig und über die gesamte Woche verteilen kann.
Sicher ist aber, dass Stellenkürzungen und kürzere Öffnungszeiten die zwangsläufige Folge sein werden, denn die Arbeit an sieben Tagen in der Woche wird von 4,25 Personalstellen geleistet zusammen mit vielen ehrenamtlichen Kräften, die kostenfrei arbeiten.
Schon jetzt erleben wir das Entsetzen, die Ängste, die Unsicherheit und die Trauer unserer Besucher darüber, dass ihnen genommen werden soll, was ihnen Hilfe und Zuversicht gibt.
Stadt ist zur Hilfe verpflichtet
Die Stadt wird auch weiterhin Betreuungs- und Beratungsangebote vorhalten müssen, allerdings dann ohne das breite bürgerschaftliche Engagement unseres Vereins „Regenbogen“. Letztendlich wird die finanzielle Schieflage der Stadt also weiter verschärft.
Unsere Aufgaben sind Pflichtleistungen. Sollte Regenbogen aufgrund der Kürzungen nicht mehr in der Lage sein, die bisher mit der Stadt vereinbarten Aufträge im Rahmen der kommunalen Psychiatrie zu erfüllen, wird die Stadt nach PsychKG NW und ÖGDG NW diese selbst übernehmen müssen. Die Sozialpsychiatrischen Dienste müssten zukünftig deutlich mehr in die langfristige und umfassende Betreuung seelisch erkrankter Menschen eingebunden werden. Dazu reichen die derzeitigen Strukturen keinesfalls aus. Eine personelle Ausweitung der Sozialpsychiatrischen Dienste wäre erforderlich. Ein Teil der betroffenen Menschen wird in jedem Fall vermehrt immer wieder als „Drehtürpatienten“ in den psychiatrischen Krankenhäusern behandelt werden müssen.
Die erhoffte Sparmaßnahme wird sich als Bumerang erweisen, der schon bald deutlich mehr Kosten verursachen wird. Leid und Angst der betroffenen Besucher können nicht beziffert werden.
Die Zahlung der Zuschüsse an Regenbogen e.V. basiert nicht auf einer freiwilligen Leistung sondern auf Pflichtaufgaben der Stadt Duisburg. Diese sind derzeit an den zuverlässigen und kostengünstigen freien Träger Regenbogen delegiert.
Geringe Betreuungskosten
Die Betreuung von 1787 Duisburger Bürgern hat die Stadt Duisburg 2009 pro Kopf und Jahr 73,87 Euro, pro Tag 20 Cent, gekostet.
Zum Vergleich: Von den Kosten in Höhe von mindestens 840.000 Euro für die eintägige Love-Parade wären die Angebote der Kontakt- und Beratungsstellen bei Regenbogen für mehr als 6 Jahre gesichert.
Wir sehen einen erheblichen Imageverlust für die Stadt Duisburg darin, wenn behinderte Menschen zugunsten einer eintägigen Veranstaltung über Jahre hinweg nicht mehr ausreichend versorgt werden.
Anzahl der Hilfebedürftigen explodiert
Als Regenbogen e.V. 2000 das erste Mal den Zuschuss in der bis heute gültigen Höhe erhielt, besuchten im selben Jahr knapp 600 Personen unsere beiden Kontakt- und Beratungsstellen. Fünf Jahre später waren es schon fast 1000 Menschen und 2009 bereits 1787 Menschen.
Eine traurige Erfolgsbilanz
2000: 600 Besucher 2007: 1396 Besucher
2005: 987 Besucher 2008: 1572 Besucher
2006: 1155 Besucher 2009: 1787 Besucher
Deshalb bitten wir Sie eindringlich darum, im Interesse der Menschen dieser Stadt und mit Blick auf die katastrophale Haushaltssituation der beabsichtigten Kürzungen zur Betreuung seelisch erkrankter Menschen in der Stadt Duisburg in Höhe von jährlich 64.000 € nicht zuzustimmen
Jörg Bickenbach Vorsitzender - Elisabeth Hofmann Geschäftsführerin |